Nächtebuch

Nach jeder Nacht mit einem oder mehreren Gästen habe ich einen Eintrag gemacht. Einerseits war es, um meine eigenen Erlebnisse bei der Performance auszuleuchten,
gleichzeitig war es für mich eine Hilfe, mit der doch ungewohnten Situation umzugehen.

 

21.7.00
Ich schlafe sehr schlecht. Die Kamerageräusche und das Licht stören mich. Ich will das Ganze abbrechen. Ich friere und bin am morgen völlig erledigt. Habe 39° Fieber. Es gibt kein zurück mehr. Körperkontakt ist selbstverständlich.
26.7.00
Ich bin total aufgeregt wie bei einem ersten Date. Putze die Wohnung und warte auf ihn. Erstaunlicherweise stellt sich schnell eine Intimität ein. Kein Fremdeln. Körperkontakt ist selbstverständlich.
30.7.00
Irgendwie bin ich schüchtern und er auch. Ich geniesse es aber. Fühle mich an Nächte in meiner Jugend erinnert. Als wären wir irgendwo in den Bergen. Scheuer Körperkontakt.
18.8.00
Ich liege zwischen zwei hübschen Frauen. Kann mich aber keiner einzeln zuwenden. Ich muss jedesmal den Kopf drehen, wenn ich mit einer sprechen will. Die Nacht ist heiss, und ich weiss, warum ich auch sonst nicht gern in der Mitte liege. Ich wähle ein paar Stellungen aus, in denen ich dann verharre. Zufälliger Körperkontakt, da wir zu dritt im Bett liegen.
25.8.00
Da wird rumgeblödelt und gelacht. Aber auch eine Spannung ist da. Ich habe den Eindruck, dass jeder für sich alleine ist. Ich spüre keine richtige Intimität. Sie scheint manchmal da zu sein und dann ist sie gleich wieder weg. Körperkontakt entsteht zaghaft.
11.9.00
Ich bin schon etwas aufgeregt. Ich überlege, was von mir erwartet wird. Lange interessante Gespräche. Habe wilde Träume. Kein Körperkontakt.
23.9.00
Neuer Raum, neues Bett. Der Raum erweist sich als weniger angenehm, als ich gedacht hatte. Ich fühle mich irgendwie eingesperrt und ausgestellt. Ich habe auch immer mehr Mühe eine Intimität preiszugeben. Ich merke, dass ich mich verschliesse. Starker Körperkontakt. Ich glaube, der Raum ist auch dafür verantwortlich. Wir brauchen etwas privates, persönliches.
1.10.00
Ich kenne den Gast eigentlich nur flüchtig. Ich steige eigentlich nur ungern in die Stadtgalerie hinunter, da der Raum zum Schlafen etwas schwierig ist. Dann kommt der Augenblick für ins Bett. Wir sind uns nahe und doch weit weg. Keine Berührung. Dann nach einer gewissen Zeit spüre ich seinen Körper. Er fragt, ob es erlaubt sei. Ich stimme zu. Ich habe keine Bedenken. Die körperliche Berührung bringt uns näher.
20.10.00
Die vorletzte Nacht in der Stadtgalerie. Auf die Nacht in diesem Raum freue ich mich nicht. Auf die Begegnung jedoch schon, obwohl ich von der Person nur den Namen weiss. Für mich entwickelt sich das Essen immer mehr zum Ort der eigentlichen Intimität und des Austauschs. Die Nacht im Bett verliert ihren Reiz, auch weil ich nach den Gesprächen immer mehr erschöpft bin. Ich merke, dass ich immer weniger Nähe zulassen möchte. Ich schlafe schnell ein. Habe sogar ein schlechtes Gewissen deswegen. Kein Körperkontakt.
21.10.00
Zwei Nächte nacheinander sind zuviel. Ich fühle mich fast als Opfer meines Projekts. Glaube die Kontrolle zu verlieren. Wieviel braucht es, bis ich nein sage? Das Nachtessen ist angenehm, auch der Spaziergang zur Stadtgalerie. Aber kaum sind wir im Schlafraum, breitet sich eine Unsicherheit aus. Jegliche Intimität scheint verschwunden zu sein. Alle drei meiden zuerst das Bett, bis es nicht mehr anders geht. Ich lege mich an den Rand. So kann ich für mich alleine sein. Wegen der Enge liegen wir Körper an Körper. Ich schlafe sehr schnell ein. Ich spüre die Nähe zu meinem Nachbar. Die anderen sind zu weit weg. Der Morgen scheint für alle eine Erlösung zu sein. Wir haben es durchgestanden. Nur weg von diesem Raum. Enger Körperkontakt. Nicht unangenehm.
3.11.00
Ich kenne den Gast nicht. Ich staune, dass jemand extra aus Zürich anreist und frage mich, was wohl die genauen Beweggründe sind. Ich frage mich natürlich auch, ob ich auch selber sowas eingehen würde. Im Bett sind alle gleich, verwundbar und menschlich. Auch ich. Das Ganze ist absurd. Was tun bloss all diese Menschen in meinem Bett? Kein Körperkontakt.
24.11.00
Wahrscheinlich die letzte Nacht. In Gedanken schliesse ich mein Projekt schon ab. Meine Cousine ist da. Erst zweimal gesehen. Kennen tue ich sie überhaupt nicht. Seltsam. Die Verwandschaft verbindet uns. Gewisse Fragen sind ausgeschlossen. Kein Körperkontakt.